Onkel Ewald, Tante Rosi
In den 1970er und 1980er Jahren besuchte Thomas Kunsch als in Neubrandenburg Geborener und in der Deutschen Demokratischen Republik Aufgewachsener mit seinen 1945 aus Ostpreußen und dem Sudetenland vertriebenen Eltern die ebenfalls heimatvertriebene, in Kröpelin, Bad Doberan und Rostock lebende Verwandtschaft. Dreh-und Angelpunkt war dabei der „Hasenberg“ in Bad Doberan, Heimstatt von Onkel Ewald, Tante Rosi, Michi & Co. Unvergessen die Rasten nach 65 km anstrengender Fahrt im Personenkraftwagen Marke „Shiguli“ (des weißen Lacks, der roten Plüschsitzbezüge und der schwarzen Reifen wegen liebevoll „Schneewittchen“ genannt) in Matgendorf, die anschließenden Handwäschen mittels in einer ausgewaschenen Milchtüte transportierter feuchter Lappen, die Fütterungen „Vatis“ während der Fahrt, die großen Schiffe in Rostocker Stadthafen und nicht zuletzt die immer wieder nervende Begrüßungen durch Onkel Ewald: „Na, kleiner Mann?!“

Im Frühjahr und Sommer 2007 kehrte er, mittlerweile in Bielefeld „Fotografie und Medien“ studierend, an die Stätten kindlicher Erinnerungen zurück. Ziel der freien Arbeit war es, den in Heiligendamm stattfindenden G8-Gipfel fotografisch zu begleiten, wobei nicht Merkel, Bush & Co. im Focus standen. Vielmehr sollte aus „der zweiten, dritten Reihe“ heraus fotografiert werden, ohne vorgefertigte Bilder bereits im Kopf zu haben. Auch eine neutrale Sichtweise war ihm wichtig, um keine der heutzutage immer mehr um sich greifenden, tendenziösen Arbeiten entstehen zu lassen. Von Januar bis zum Juni 2007 entstanden daraufhin tausende von Fotos, angefangen vom Zaunaufbau bis zum Alternativgipfel. Basisstation waren nun wieder Onkel Ewald, Tante Rosi. Doch die gesellschaftlichen Vorzeichen hatten sich ins Gegenteil gewandelt. Statt ein-, wurde nun ausgesperrt. Massive Kontrollen der staatlichen Organe allerorten, ununterbrochen. Willkür. Was passierte hier? Hätte es nicht gerade umgekehrt sein sollen? Was ist mit der Heimat passiert?

In diesem Spannungsfeld bewegen sich die Fotografien, welche für Thomas Kunsch nicht nur eine wirtschaftspolitische, sondern auch eine deutsch-deutsche und eine im Rahmen des Studiums beleuchtete Heimatebene besitzt. Die Bilder sollen nicht agitieren, nicht belehren. Nicht zuletzt deswegen spannt sich der Bogen von skurilen hin zu erschütternden Motiven, von unter Polizeischutz Nacktbadenden hin zu einem von der Polizei wie Vieh fixierten Demonstranten. Nachdenken über Freiheit, aber auch Sicherheit. „Fragt nicht nur die Frösche nach des Storchen Charakter.“
 
 
     
    VITA    AUSSTELLUNG    BUCHUNG    KUNDEN    IMPRESSUM